Ad astra! – Zu den Sternen!

»Raus hier, nur raus«, klopfte in seinen Gedanken, Treppenstufe um Treppenstufe, Gemäuerstein um Gemäuerstein jagte es ihn, Runde um Runde. Raus hier! Dunkel war es und muffig, die Steine rochen feucht und auf glitschigen Stufen kam er ins Rutschen, taumelte weiter im Dunkel.

Nur langsam breitete sich ein schwacher Schimmer aus, ließ ihn Umrisse erkennen, später die Farbe seiner Haut, wenn er sich stützte. Sein eigenes lautes Atmen übertönte sein Tappen und Schleifen, doch er kämpfte sich weiter, fort von der saugenden Finsternis unter ihm, in dem er aufgewacht war ohne Erinnerung. Weiter, nur weiter.

Nur die Kälte des Steins, gegen den er den Körper drückte, hielt ihn wach genug, um weiterzulaufen, höher und höher ins Dämmer, das ihn sehen ließ und das dann wieder verschwand. Verblasste … und doch kämpfte er weiter, in der Hoffnung auf neues Licht. »Fernweh!« dachte er bitter, »die Sehnsucht nach dem Unerreichbaren« und lehnte sich an, stieß sich ab. Weiter!

Dann erweiterte sich das Treppenhaus zu einer Plattform, einer Art Halle mit schmalen Fenstern, in dem ein hölzernes Rechteck stand. Darin stand ein schreckliches Wesen! Er prallte zurück, stand starr, bis sein klopfendes Herz sich beruhigte. Er lauschte voll Furcht. Kein Geräusch! Er beugte sich vor, linste und die Ecke …

und im gleichen Moment streckte ihm das Monster sein Gesicht entgegen, bleich und verzerrt, mit gierigen Hauern, eine ölige Haut spannte sich zwischen Kopf, Rumpf und Arm, als er die unförmige Hand vors Gesicht schlug, eine Hand, die wie eine kranke Karikatur der seinen aussah. Es sah aus wie das schleimige Dunkel, vor dem er floh, es hatte ihn eingeholt! Er stellte sich gerade hin und das Ungeheuer tat es ihm nach, so dass er es sehen konnte. Zumindest das viereckige Bein mit Tentakelfüßen, das eine …

Eisiger Schreck durchfuhr ihn. Wo war der Rest des Körpers? Jenseits des Rahmens war nichts! Nichts!

Als nichts weiter geschah, ließ er die vors Gesicht gehaltene Hand sinken, und das Monster tat es ihm nach. Trat vor, schritt zurück, trat zur Seite. Taub vor Entsetzen ließ er den Blick sinken, betrachtete den eigenen Körper. Schaute erneut in den Spiegel. Wusste nicht weiter.

In den schmalen Fenstern der Halle standen die Sterne. Er streckte die schleimige Hand aus. Fernweh! Hierhin hatte es ihn geführt? Hier hin? Tränen ließen die Sicht verschwimmen, das Sternenlicht zog sich zu grellen Streifen und mit dem Finger tastete er danach.

Doch was war das? Ein lichterer Punkt glitt seine Hand entlang in die schwere Flughaut, machte sie geschmeidig, noch ein Licht, dann ein drittes. Was geschah? Ein Blick in den Spiegel ließ ihn weitermachen, jenseits von Hoffnung und Furcht, denn es gab nichts zu verlieren.

»Sterne!«, dachte er, »Sterne«. Und mit jede Gedanken wandelte sich die monströse Form, wurden die Häute geschmeidig, die Arme lang und die Beine wie geschwungene Bahnen, bis zuletzt auch der schwere Bauch durchsichtig wurde, die pulsierenden Gedärme kristallhell und spektrenbunt. Leicht wurde er. Panik streifte er ab, es gab nichts zu verlieren, nichts aufzugeben als das entsetzliche Dunkel.

Ein letzter Blick galt seiner sternenhellen, mondsilberschimmernden Form, dann löste er sich vom Spiegel und trat ans Fenster. Dünn und schmal konnte er sich machen, passte bequem hindurch. Auf dem Fensterbrett stehend betrachtete er den Sternenhimmel, das üppige Band der Milchstraße, die Nebel und Spiralen. Er fühlte sich leicht wie sie, schwelgte in ihrem Licht, sagte »Ad astra« und ließ sich fallen.

Der gute alte Lovecraft … zu dieser Schreibübung stubbte mich ein Beitrag aus meiner Blogumgebung, genauer von MEINE SICHT DER WELT, https://meinesichtderwelt.wordpress.com/2017/04/24/fernweh-txt/, die damit an einem Projekt*.txt http://projekttxt.net/2017/03/01/das-dritte-wort-2017/ teilnimmt, das ich nicht näher kenne. Gut, ich verlinke mich da mal, schaue mir das mal an. Ohne das Stichwort hätte ich heute garantiert nichts geschrieben.

7 Comments

    1. Erst einmal ist es von mir.
      Es gibt aber eine Geschichte, die ich im Kopf hatte, von einem, der in einem Turm lebt und in endloser Anstrengung nach oben steigt (von der Art her ein Kind oder so), und als er endlich oben ist, findet er sich auf ebener Erde wieder, in einem schönen Schloss voll schöner Menschen, die feiern. Er freut sich und will mitfeiern, aber sie rennen schreiend vor ihm weg und dann sieht er in einem Spiegel, dass er ein abstoßender Ghoul ist. Sehr bewegend. Ich bilde mir ein, dass sie von Lovecraft ist.

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            1. Ah, klasse! Der Titel passt ja dann auch …
              Diese alten Geschichten haben was, ich finde sie auch sehr eindrucksvoll.
              Eine moderne Anthologie habe ich, „Die Klabauterkatze“ aus dem Verlag Thomas Low, die den Untertitel „Auf den Spuren H.P.Lovecrafts“ trägt. Die titelgeschichte stammt von PERRY RHODAN-Autor Arndt Ellmer, und auf dem Garching-Con 2015 sah ich das Ding und griff gleich danach. Der Verkäufer war aber zugleich der Verleger und daraus entspannt sich ein Endlosgespräch über die „Alten“ und so weiter, das war schön.

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