Schreibseminar in Wolfenbüttel 2016

Im Innenhof des Schlosses schien die Sonne, während im ersten Stock das Schreibseminar „Anfang, Mitte und Ende. Die Phantastische Kurzgeschichte“ mit 15 Teilnehmern verschiedener Profession und Olaf Kutzmutz von der Bundesakademie, dem Chefredakteur Klaus N. Frick und dem Autor und Übersetzer Uwe Anton stattfand.

Während des ersten Vormittags fand dort auch eine (bedauerlicherweise ausgesperrte) Orchesterprobe mit wirklich guter Musik statt, und die erste Schreibaufgabe bot mir genug Zeit, eine halbe Stunde draußen zu sitzen. Was der Person meiner Geschichtenfragmente den Namen gab, den des Komponisten Teddy Bohr.

Beginnen wir mit der Anfahrt: Meine Schulleiterin hatte mich freundlicherweise beurlaubt, so dass ich nach sechsstündiger Zugfahrt pünktlich ankam. 

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Wir hatten einen Stadtplan bekommen, der sich als nützlich erwies. Ich hatte noch anderthalb Stunden Zeit und wählte den Weg durch die Innenstadt.

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Als eine andere Teilnehmerin mir schrieb, sie sei jetzt auf dem Zimmer und wo ich denn stecke, schickte ich ihr das Brückenbild. Als ich mich umdrehte, stand ich vor dem Gästehaus der Bundesakademie.

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Das Gästehaus hat seinen guten Ruf mehr als verdient. Die Türcodes erhält man bei der Anmeldung und kann sich dann frei bewegen, ob die Rezeption besetzt ist oder nicht. Die Sauberkeit entsteht nicht nur durchs Putzen, sondern vor allem durch einen Stil, in dem die Gäste zum Mitmachen ermutigt werden: Die Getränke sind frei zugänglich, einige wesentliche gibt es umsonst, alle anderen kann man sich nehmen, auf einer ausgehändigten Karte selber eintragen und Geld samt Karte am Schluss in einen Kasten werfen. Dies kennzeichnet den Stil des Hauses recht gut.

Nach und nach sammelten sich die Teilnehmer und um Viertel vor Vier fanden sich auch die Dozenten als Gruppe ein, um uns abzuholen. Wir hatten nämlich das schöne Schlosszimmer – um den Preis, wieder hinaus in die Sonnenhitze zu müssen. Ihre Route führte die schnelle, jetzt leere Autostraße entlang. 

Gleich darauf kam das Schloss in Sicht.

Der Zeitplan war dicht: Wir hatten einen Reader mit den achtseitigen Geschichten der 15 Teilnehmer, die sukzessive besprochen wurden, wobei das Tempo in der zweiten Hälfte doch arg getaktet wurde.

Wir hatten kein Thema bekommen, wohl der Grund, weshalb ein deutlicher Anteil älterer Geschichten auffiel. Dann sollte immer der Sitznachbar zum Linken mit dem Besprechen der Geschichte anfangen. Das sorgte von Anfang an für eine sehr gleichmäßige Beteiligung der Teilnehmer, da jeder ans Sprechen und Besprechen herangeführt wurde, was sicherlich sehr zur ausgesprochen lebhaften Gruppendynamik beitrug.  Meine vorwitzige Bemerkung, so was mache ich immer, wenn ich den Unterricht nicht vorbereitet hätte (und bei mir stimmt das auch), bekam ich natürlich gleich beim  Frühstück aufs Brot geschmiert.

Die Theoriephasen fand ich spannend, weil ich nun mal unweigerlich von der Germanistik und Anglistik herkomme, also von der Theorie,  und nach 20 Jahren Schuldienst diverse Modelle handlungsorientierten Literaturunterrichts durchprobiert hatte. Unsere Dozenten waren vor allem Praktiker. Den Zusammenprall der Welten hatte ich mir problematischer vorgestellt. Allerdings hätte ich mir ein zusammenhängenderes Koordinatensystem gewünscht, mehr funktionale Theorie auch im Zusammenhang der Themenstellung und bei der Besprechung der Schreibaufgaben.

Außerdem muss gerade jemand wie ich beim Erstschreiben eines Textes sehr bewusst die Kontrolle aufgeben und einfach so vor sich hinschreiben, damit das Material auf dem Papier steht, ehe die Checkerinstanzen sich einschalten, und ich sammle normalerweise erst mal viel Material, das ich dann großteils wieder rauskippe. Insofern waren für mich als Einzelfall die Schreib- und Besprechungsrunden zu knapp aufgebaut, für die anderen aber nicht.

Ich bewerte im Unterricht nie nach dem Hören, weil ich damit nicht gut bin. Deshalb fand ich es sehr anstrengend, ohne kurzes Rekapitulieren des Anfangs bzw. der Mittelszene in die neu geschriebenen Textabschnitte der 15 Teilnehmer einsteigen zu müssen: In der Regel war das Vorlesen zur Hälfte vorbei, bis ich so weit war, anknüpfen zu können. Durch die starke Gruppendynamik entstand jedoch schnell eine sehr ergiebige Schreibsituation, mit der alle zufrieden sein konnten. 

Mein Wunsch nach einer kurzen Auszeit, bedingt durch den Schlafmangel in den beiden vorangehenden Nächten und externes Gekabbel, führte immerhin zu diesem Bodenfoto des Schlossplatzes:

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Als Fazit kann ich sagen, dass ich sicherlich gezielter an den Besprechungen hätte teilnehmen können, wenn ich ebenfalls eine ältere Geschichte eingereicht hätte, mit der ich kein aktuelles Anliegen verbinde. Auf der anderen Seite hatte ich im Vorfeld für den Fall des Scheiterns dermaßen viele Vorkehrungen  vor allem in Form von Kontakten und Planungen getroffen, dass sich dadurch wirklich viel ergeben hat und das Seminar gerade über die Möglichkeit persönlicher Begegnungen, vieler langer Gespräche und kleiner Wechselreden die Umgebung bot, in der das Angebahnte sich entwickeln konnte. Ich werde auf jeden Fall versuchen, wiederzukommen. Es war richtig gut.

Nach dem letzten gemeinsamen Mittagessen hatte ich noch Zeit, in die Herzog-August-Bibliothek zu gehen, die Gotthold Ephraim Lessing aufgebaut hat, lange Zeit mein Lieblingsschriftsteller. Die ist wirklich sehr beeindruckend. Auf dem Weg zum Bahnhof traf ich punktgenau auf einen anderen Teilnehmer, so dass wir noch gemeinsam nach Braunschweig fuhren und uns dort dreimal verabschiedeten, weil wir uns immer wieder über den Weg liefen.

Viertel nach Zehn kam ich heim und war am Montagabend so richtig schräg übermüdet, dass ich kaum schlafen konnte – vor dem Seminar zwei Nächte mit langen Wachperioden, am Samstag“abend“ stand ich noch Viertel vor Drei mit jemandem vor der Tür. Aber es hat sich wirklich gelohnt und Wichtigeres als Schlaf gibt es allemal. Ich vermisse die Gruppe.

4 Comments

  1. Ach, ja Alexandra. Ich vermisse das auch. Dieses bedingungslos aufeinander Einlassen und die spannenden Gespräche. Da muss ich jetzt ein Jahr lang von zehren.

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