Duell mit einem Roboter – Loower contre robot (PR 919+920)

Der Roman „Duell mit einem Roboter“ von H.G-Francis erschien als Heft Nr. 919 im Februar 1979. Im Taschenbuch stellt er als LOOWER CONTRE ROBOT die ersten drei Kapitel. Die folgenden vier umfassen die „Insel der Vernichtung“ (PR 920), ebenfalls von H.G. Francis, als L’ILE DE LA DESTRUCTION. Die Bearbeitung des Doppelromans durch Hubert Haensel finden wir gleich zu Anfang des Silberbands 109 „Das Loch im Universum (ISBN 3811840959), der 2010 herauskam. Die französische Übersetzung, „Duel pour un Oeil“ (Band 312, ISBN 978-2-266-24848-8), erschien im März 2014. Die Übersetzer sind José Gérard und Claude Lamy.

Der Doppelroman schildert die Auseinandersetzung zwischen dem einäugigen Kosmokratenroboter Laire und dem Quellmeister Pankha-Skrin, erst an Bord der BASIS und dann auf dem Planeten Terzowhiele. Die Loower haben Laire vor einer Million Jahren sein linkes Auge geraubt, mit dem er hinter die Materiequellen reisen kann. Dies ist seine Heimat, von der er abgeschnitten ist, und in die er zurück will. Er fürchtet, dass Pankha-Skrin ihm auch das andere Auge rauben will. Beide sind Gast auf der BASIS und vermitteln Rhodan den Eindruck, sie seien friedlich, weil dieser sie sonst nicht dulden würde. Währenddessen sind sie eifrig damit beschäftigt, sich gegenseitig tödliche Fallen zu stellen und Vorkehrungen zu Selbstschutz und Attacke zu treffen.

Dieses Versteckspiel den Autoritäten gegenüber beobachtet die junge Kybernetikerin Verna Theran, und hier setzt die zweite Handlungsebene ein. Nämlich die, in der Verna den Roboter verfolgt und beobachtet, mit beiden Kontrahenden aus der Nähe spricht und fast in einer der Fallen umkommt. Sie ist von Männern umgeben, zwischen denen sie sich orientieren muss. Da sind einerseits der von den Posbis mechanisch aufgebesserte Galto Quolfahrt, der sie als eine niedliche kleine Frau mag, die keiner wirklich ernst nehmen muss, und anderseits die Unsterblichen, Atlan, Perry Rhodan und auch Gucky, die gar nicht auf die Idee kommen, sie nicht ernst zu nehmen. Hierdurch retten sie die BASIS. Diese schallende Ohrfeige für alle von sich selbst eingenommenen Möchtegernchauvis macht diese zweite Geschichte meines Erachtens zur interessanteren.

Neben der Charakterdarstellung und der umfangreichen Beschreibung der Gänge, Hallen und Räume des Raumschiffes, die ungewöhnlich ausführlich geraten ist, prägt das Motiv des Sehens den Roman. Immer wieder las ich die Aufschrift auf dem dunklen Titelblatt von 312 als „Oeil pour un oeil“, „Auge um Auge“. Die offensichtliche Bedeutung: ein Kampf bis aufs Messer, ohne Haltepunkt. Die textimmanente Bedeutung ist jedoch konkreter: Es geht um Laires Augen, das eine gestohlen und seit einer Million Jahren gesucht, das andere bald durch eine an Bord geschmiedete und durchlöcherte Schale geschützt. Und im Schreibvorgang spielt das sehende Auge eine noch viel komplexere Rolle. Denn es geht um mehrere Ebenen des Beobachtens. Laire beobachtet Pankha-Skrin und der ihn. Verna beobachtet den Roboter, der dies nicht zu bemerken scheint, seinen Aufenthaltscode jedoch umgehend desaktivieren lässt, als sie ihn hat. Atlan und Gucky beobachten Verna, weil sie Laire beobachtet. In der Folge bringen sie Perry dazu, ihre Beobachtungen zu beachten. Galto Quolfahrt beobachtet Verna, Tortenstücke und andere Frauen, sieht aber das Wesentliche nicht.

Das mehrfach gestaffelte Beobachten sorgt für die Möglichkeit ironischer Brechung, weil immer einer mehr weiß als der andere und man sich unwillkürlich fragt, wer am meisten weiß. So dass der Leser einen angenehmen Informationsvorsprung hat und nebenbei die Möglichkeit erhält, über die Personen nachzudenken. Und zwar einerseits in Hinblick auf die romanübergreifende, große Handlung um Laire und den Quellmeister und andererseits im Rahmen der kleinen, auf die Außenwelt abhebende Handlung: Mit welcher Art Männern hat Verna zu tun und wie geht sie mit ihnen um? Und wie bewerten wir sie?

Im Rahmen ihrer Beobachtung sieht Verna die Hauptpersonen aus ungewohnter Perspektive, nämlich von ganz nah. Dies kommt durch die ausgeprägte personale Erzählhaltung zustande: Verna ist die Reflektorfigur, durch deren Augen der Leser sieht, hört und bemerkt. Bis hin zum unerwarten Auftauchen des Teleporters Gucky und der Stimme hinter ihr, die sie beim Umdrehen als die von Atlan erkennt. Zugleich kommentiert sie selber die Haltungen der Gegenpole Quolfahrt und Atlan nur wenig, sie werden unvermittelt dargestellt, und nur Vernas Gefühle geben dem Leser Hinweise, dass er kritisch bewerten soll. Diese Ausrichtung bleibt trotz der ausgeprägten Subjektivität erhalten, weil sie sich ausschließlich für Laire interessiert, der Roboter also im Zentrum ihrer Wahrnehmung und demzufolge auch der Darstellung im Roman steht, statt dass eine privatere Ebene, zum Beispiel ein Beziehungskonflikt der Reflektorfigur, die Handlung verhüllen, färben und manchmal sogar verdrängen würde, wie dies so oft in moderneren PR-Romanen geschieht.

Andere unkommentierte Wahrnehmungen, wie die metallenen Arme Laires, der sie aus der Gefahrenzone trägt, und der Loower, der beim Gespräch in seiner Kabine einen Schritt auf sie zugeht, ohne dass sie versteht warum, eröffnen Interpretationsräume in der Art einer Detektivgeschichte. Diese Schiene nutzt auch die in diesem Genre gern genutzte Möglichkeit, interessante Leute mal ganz aus der Nähe zu sehen.

In der Folge möchte ich diese Beobachtungen durch einige wenige Textbeispiele aus dem Silberband und der französischen Version veranschaulichen. Zunächst zur Personalisierung der Reflektorfigur. Diese hat der Übersetzer mit einfachen Mitteln wesentlich verstärkt. Zunächst durch das Aufgreifen des Augenmotivs: der Romananfang „Für Verna Theran“ wird zu „Aux yeux de Verna Theran“ (p.2), und dann durch emotionalere Ausdrücke wie den Gradpartikel: „il était tellement ancien“, das „tellement“, „so“, wurde eingefügt, und es verstärkt sowohl Vernes Gefühle als auch Laires Erscheinungsbild. Außerdem hat der Übersetzer das Verb „sein“ herangezogen, um die Personen in den Mittelpunkt zu rücken: im Deutschen „arbeitet“ Verna als Kybernetikerin, im Französischen ist sie eine: „Elle était cybernéticienne“, was einen höheren Grad der Identifikation mit dem Beruf impliziert.

Auch erscheint Laires metallischer Grundstoff ihr auf Deutsch „geschmeidiger […] als menschliches Zellmaterial“, was sehr technisch klingt, auf Französisch kommt statt „Zellmaterial“ aber als „un materiau métal.morphique qui semblait plus souple que la peau humaine“ (p.27), die menschliche Haut. Der Roboter erscheint Verna lebhafter als manch ein Mensch: „Laire lui paraissait plus vivant que certains individus de sa connaissance“ (p.28). Er ist schweigsam und befasst sich mit kosmischen Problemen: „Il était impliqué dans des problèmes d’envergure cosmique. Mais il n’en parlait à personne“(p.28).

So kommt eine Grundkonstellation zum Tragen, die aus traditionellen Romanen mit weiblicher Hauptperson wie „Jane Eyre“ eine Rolle spielt oder im konventionellen Liebesroman: die mutige Hauptperson beobachtet einen einsamen, schweigsamen Helden, oft mit tragischer Lebensgeschichte, und beschäftigt sich mit dem Ergründen seiner Befindlichkeit. Hier ist der Held ein Roboter, und das Ergründen treibt die Handlung an, denn es geht um die inneren, die seelischen Möglichkeiten eines Robots: kann er sich etwas vorstellen, Angst empfinden, lügen, Stimmungen, „d’humeur“ (p.30) haben? „Un robot peut-il donc avoir de l’imagination?“ (p.63). Anscheinend ist Laire zu all dem fähig, weil sein Verhalten sonst unerklärlich scheint.

Diese Grenzüberschreitung zwischen Roboter und Lebewesen steht im Zentrum, schmackhaft gemacht duch Laires Herkunft von jenseits der Materiequellen. Wobei wir seinen Freund Augustus nicht vergessen dürfen, das eigenwillige Menschenwerk.
Beim Auftauchen Guckys, „l’Émir“, „le mulot-castor“, der seinen Nagezahn, „l’incisive“ (p.28) zeigt, vertieft sich das thematische Feld durch die persönlichen Komponenten, über die der Leser zu Bewertungen hingelenkt wird: Gucky spricht breite Umgangssprache, was uns nahelegt, dass er sagt, was er denkt, und er bewertet die Situation richtig. Galto Quolfahrt, dem Verna zu diesem Zeitpunkt noch beweisen will, dass sie recht hat, sei ein „puzzle ambulant“, eine „Knallrübe“, und wünscht ihr beim Verschwinden „bon amusement“, viel Vergnügen. Ein erster Schritt im Schnellkurs für Beziehungsfragen, den der Roman bietet: zu hinterfragen ob man überhaupt Spaß hat dabei. Und er zeigt ihr, dass wichtigere Leute als Quolfahrt sie ernst nehmen. Was die Bewertung des Lesers ebenfalls lenkt.

Des weiteren geht es durch Gucky um Privatsphäre. Es stört Verna, dass er ihre Gedanken lesen kann und in ihre Privatsphäre eindringen: „Verna craignait que le mulot-castor ne lise ses pensées et ne viole sa sphère privée et son jardin secret“ (p.29). Umgekehrt regt Gucky an, dass sie sich die Erlaubnis holt, Laire zu beobachten. Später fordert Laire eben dieses, wie ihr Atlan erzählt: Privatsphäre. Hiermit begründet er das Abschalten der Überwachungsmöglichkeit per dem, was heute ein App wäre.
Galto Quolfahrt, „l’hybride humano-posbi“ (p.30), der von Posbis umsorgte Mensch mit eingebauter Elektronik, umschmeichelt Verna, aber unter problematischen Vorzeichen. Am deutlichste zeigt sich seine Haltung im Schlüsselsatz; „Son regard alle des images de pâtisseries à la jeune femme“ (p.31), sein Blick pendelt zwischen ihr und den Tortenstücken. Für ihn ist sie ein süßes Häppchen. Ihre Beobachtungen sind Einbildung, „imagination qui galope“ (p.31), er deutet an, es gebe für eine wie sie viele andere Beschäftigungsmöglichkeiten: “ N’y a-t-il pas mille autres possibilités de se rendre utile pou und jeune femme comme toi“, fragt er, während ein verwirrrtes Lächeln, „une vague sourire“, seine Lippen umspielt. und als sie auf ihrem Verdacht besteht, lacht er sie aus. Wenn etwas dahinter stecke, würde Rhodan ihr die Beobachtung entziehen, weil es dann wichtig wäre: „Qu’il n’ait aucune objection à ce que tu mènes ton ‚enquête‘ démontre tout simplement que tu t’échines pour rien“ (p.52).

Sie wiederum denkt, er wolle das Forschungsobjekt Laire, „sa chasse gardé“ (p.32), für sich haben und merkt gar nicht, wie er sie abspeisen will. Er nennt sie „ma fille“ (p.40) und ruft: „Eh là, quelle fougue“ (p.62), welches Temperament, als sie widerspricht, ist andererseits aber durchaus aufmerksam und reagiert auf ihre Zustände: „Tu n’as pas l’air bien“ (p.62), du siehst nicht gut aus. Er ist nett, aber es ist die Art Nettigkeit, in der man erstickt, und das ist in diesem Roman gut dargestellt.

Atlan ist die herausragendste Gegenfigur zu diesem Möchtegernalphamännchen, weil er, genau wie Quolfahrt, einen potentiellen Sexualpartner darstellt. Was in dieser Geschichte aber nicht zum Tragen kommt. Verna beobachtet den Roboter, nicht die Männer, ist dabei aber auf Galto Quolfahrt fixiert: sie will ihm unbedingt beweisen, dass sie Recht hat. Was regelrecht ins Groteske abgleitet, als sie das Giftgas bemerkt und im Bewusstloswerden daran denkt, dass Quolfahrt ihr jetzt glauben muss. Von dieser Art Dummheit sind viel zu viele Frauen befallen.

Atlan hingegen bietet ihr eine andere Ebene von Identifikation. Er glaubt ihr, signalisiert Ansprechbarkeit und lädt sie in der Cafeteria an den Tisch zu den anderen Unterblichen ein, da alle gleich wichtig seien, „personne n’est plus ou moins important qu’un autre.“ (p.51). Dabei strahlt er die menschliche Wärme einer starken Persönlichkeit aus, was sie ergreift und dabei freisetzt: „Elle se sentait captivée par la puissante personnalité de l’Arkonide et de la chaleur humaine qu’il dégagait“ (p.51). Wie Gucky zeigt er Augenmaß und Sinn für menschliches Miteinander. Darüber hinaus ist er eine Autorität, die über das Persönliche hinausreicht, weswegen der erste der wenigen kurzen Wechsel in die auktoriale Erzählsituation, die der Doppelroman bietet, gerade an dieser Figur ansetzt, als er nämlich auf der Brücke steht und wir erfahren, dass er Verna ernst nimmt (vgl. SB S.26): „Atlan n’avait pas trompé Verna Theran quand il lui avait donné sa bénédiction pour effectuer ses recherches. Il approuvait ce qu’elle faisait et il croyait au bien-fondé de son enquête“. Wir werden auch ausdrücklich darüber informiert, dass Quolfahrts Geschwätz ein Missverständnis zwischen ihnen erzeugt hat und dass er an ihren Verdacht denkt, als Laire mit seinem Augenschutz auftaucht: „Il ne pressentait pas que cela avait conduit à un malentendu entre eux. Il regretta que la jeune femme soit absente en cet instant, car elle aurait obtenu une preuve de so hypothèse! (p.58f). Aus dieser Überblicksposition heraus tauchen wir dann wieder in die Geschehnisse um den einäugigen Roboter ein.

Das sprachliche Material zur Technik ist in diesem Roman ganz besonders ausgeprägt und differenziert, was eine wirklich sehr angenehme Abwechslung zu vielen Geschichen darstellt, in denen rudimentärste Nennungen reichen, um die Geschichte voranzubringen, Eine Darstellung würde jedoch den Rahmen sprengen, den ich mir hier gesetzt habe.
Einige Anmerkungen zum Folgeroman: Er behält das Augenmotiv bei in Gestalt des glotzenden Tiefseefisches und das Beobachten. Auch Vernas konsequente Anwendung ihrer Kompetenz und die Anerkennung der Unsterblichen bleibt und bildet den Schluss, nachdem die Kontrahenden sich versöhnt haben. Allerdings ist er anders konstruiert, nämlich eher wie ein Abenteuerroman für Kinder, in einfachen, aufeinander folgenden Handlungssequenzen ohne viel Logik, was bei einem derart großen Setting dann schon den Kopf schütteln lässt. Ältere Kinder dürfen Verna helfen, ihren Stamm zu retten, und als der große Garko damit ringt, zu tun, was eine Frau ihm sagt, hört er sich genau an wie ein vorpubertärer Junge.

Andererseits sind wunderschöne Szenen in dieses Gerüst eingehängt, wie der scheinbar von innen leuchtende Wald und überhaupt das ganze Auftreten der Pflanzenartigen. Und die Brücken und Inseln sind toll. Natürlich musste ich unbedingt nachschlagen, wann das Lied Über sieben Brücken mußt du gehn rauskam – von Karat ein Jahr vor dem Roman, von Maffay ein Jahr später. So wie sich in vielen Perry-Rhodan-Romanen Treibgut der Zeitgeschichte wiederfindet, was der Lektüre nach soundsovielen Jahren einen nostalgischen Beigeschmack gibt.

Dieser idiotische Kampf mit Atomraketen, der Unbeteiligten die Lebensgrundlage zu nehmen droht, spielt entsprechend den Kalten Krieg nach. Zum Glück beenden unsere Kontrahenden freiwillig den Kampf, aber Gucky hätte sowieso aufgepasst, dass nichts allzu Schlimmes passiert. Wenn man unter diesen Aspekten liest und sich einfach darauf gefasst macht, dass plötzliche Logikhämmer kommen, kann man den Roman durchaus mit Freude lesen.

© Alexandra Trinley 2016

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