Unabwendbar stand es vor seinen Augen, das Schmalspurschicksal, das Wesen des Zwischenreichs den Aufenthalt im Seinsbereich der Menschen zur Qual machte: die Begradigung.
Schwer atmend ließ der pummelige Elf sich nieder, zog die Zipfelmütze vom Kopf und wischte sich den nach Veilchen riechenden Schweiß von der Stirn. Ärger stieg in ihm auf, denn er hatte im Nachbargarten – gerade Beete, gestutzter Rasen, kahle Erde mit gleichmäßig gezüchteten Blumen – eins jener Kinderbücher gefunden, in denen Zipfelmützen ein Merkmal der Zwerge sind und alle Feen schlank. Und der Froschkönig trug eine Krone. Lächerlich war das. Und mörderisch, denn die fehlende Abweichung von der Norm war erstickend.
Prüfend betrachtete er seine Unterarme. Wurden sie nicht auch schon kantholzförmig und flach, weil er zu viele Erzeugnisse gerade gerichteter Natur damit berührte? Sorge erfüllte ihn. Seine Wirklichkeit verengte sich immer weiter, weil sich die Lebenswelt der dominanten Spezies dieses Seinsbereichs reduzierte bis zur Unerträglichkeit. Trübe Aussichten waren das!
Immerhin gab es noch wilde, helfende Gärten wie diesen, in den er sich geflüchtet hatte. Wo Tiere jeder Art lebten, ohne vergiftet zu werden – natürlich grausam, wenn Fressfeinde einander in Schach hielten, aber unbestreitbar lebendig – und wo Blumen und Gemüse einen dichten bunten Teppich woben.
Der Elf atmete auf, sah sich um. Er hatte Lust, etwas wachsen zu lassen, und was er erblickte, war eine überlange Zwiebelpflanze, geerntet und auf die Erde gelegt. Er schnupperte, roch Knoblauch, sah kleine Krater, wo die Knollen gestanden hatten. Die Zwiebel war wohl Wildwuchs gewesen, und eine Knolle fehlte ihr ganz. Nun, da ließ sich doch was machen.
Der Elf stand auf, griff in die Erde und hob die Fäuste mit Erdreich gen Himmel, blickte hinauf. Er schrie seinen Namen, wohl wissend, dass dieser für Menschen unhörbar war. Dann setzte er sich im Schneidersitz an den Fuß der Pflanze, deren Wurzel bereits verdorrte, rieb mit erdigen Händen den Stängel und sang jenen Singsang, der sich von selbst erzeugte, sang Zwiebel, sang Erde und Wasser und Wuchs.
Als früher Morgenglanz die Dämmerung erhellte, stand er auf, zufrieden mit dem Resultat: die Zwiebel hatte nun doch eine Knolle getrieben. Xeopaxtl hoffte, dass die Menschen, die diesen wilden Garten betrieben, sie als Belohnung verstanden, träumte sich ins Morgenrot hinein und verschwand.
Auch dieser Text ist eine abc-Etüde, Sammelblog hier:
Ich liebe deine Geschichte. Sie spricht mir so was von aus dem Herzen, und ich mag deine Sprache sehr-sehr – etwas ins Leben singen, sich ins Morgenrot träumen: sehr gern gelesen. ❤
Aber an den Formalien, da habe ich zu meckern, ich darf das 😉
Wir hatten Extraetüden-Woche, das heißt, du durftest mehr als 300 Wörter. Check. Aber du solltest fünf von sechs Wörtern einbauen: nicht check, ich finde nur drei. Erleuchte mich, falls ich mich vertan habe.
Und entschuldige die Verspätung, du weißt, ich bin sonst schneller, aber dieses Wochenende hatte ich andere Umstände 😉
Liebe Grüße
Christiane
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Oooooh, danke, liebe Christiane.
Ich bilde mir schon ein, fünf Wörter verwendet zu haben, werde das aber noch mal überprüfen. Diese Geschichte habe ich ohne Überarbeitung einfach runtergeschrieben.
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Die brave Alexandra hat die Wörter nachpräzisiert. Ich bin tatsächlich paarmal in Paraphrasen gerutscht.
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Ich gestehe dir, dass es mir auch schon so ging. Bloß habe ich es noch rechtzeitig gemerkt.
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Es geht dem Elf ähnlich wie uns Männern: im Alter legen wir gern zu, bleiben aber doch noch unternehmungslustig.
Schön geschrieben!
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Danke! Mein Mann fühlt sich auch portraitiert. Dabei habe ich eher an den Wildwuchs gedacht und die erdrückend geordneten Nachbargärten.
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